125 Jahre Handwerk
Betriebsreportagen
Tradition trifft Zukunft: Handwerksbetriebe, die wie wir seit 125 Jahren Geschichte schreiben.

Seit 125 Jahren begleitet die Handwerkskammer Münster Betriebe auf ihrem Weg durch Tradition und Wandel. Einige unserer Mitgliedsbetriebe feiern in diesem Jahr ebenfalls ihr 125-jähriges Bestehen – ein starkes Zeichen für Beständigkeit, Handwerkskunst und Innovationskraft. In unseren Betriebsreportagen geben sie Einblicke in ihre Geschichte, ihre Leidenschaft und ihre Zukunftsvisionen.
Mobilität bis ins hohe Alter ermöglichen
Ein Vorurteil gibt es immer noch, wenn über orthopädische Schuhe gesprochen wird, die von Menschen mit körperlichen Einschränkungen getragen werden: Solche Schuhe seien etwas unförmig und nicht modern. Andrea Klemm beweist mit ihrer Arbeit das Gegenteil. Die Meisterin im Orthopädieschuhtechniker-Handwerk fertigt mit ihrem Team für Kunden, die aus unterschiedlichen Gründen Fußprobleme haben, orthopädische Schuhe an, die fußgerecht sind und gut aussehen. »Wir wollen Mobilität bis ins hohe Alter ermöglichen«, sagt sie.
Lösungen für viele Fußprobleme
Ihr Handwerksbetrieb bietet Lösungen »rund um gesundes Gehen an«. Das Spektrum geht weit über die Anfertigung und Reparatur von speziellen Schuhen hinaus und umfasst fachlich kompetente Beratung, Service rund um den Fuß (zum Beispiel die Fuß- und Ganganalyse), individuelle Einlagen und die podologische Betreuung (medizinische Fußpflege) für Menschen mit Fußproblemen. »Das erfordert ganz viel Einfühlungsvermögen«, ergänzt Andrea Klemm.
Seit 125 Jahren in Familienhand
Die Meisterin ist Chefin von »Bitter Orthopädieschuhtechnik« in Sendenhorst-Albersloh im Münsterland. Der Schuhmacher Christoph Lammers gründete den handwerklichen Familienbetrieb vor 125 Jahren. Die Betriebe waren klein, Schuhe wurden in Handarbeit gefertigt. 1930 trat Schuhmachermeister Anton Bitter in den Betrieb ein und heiratete Sophia, die einzige Tochter des Firmengründers. Beide führten das Geschäft bis 1965 und übergaben die Firma dann an den Sohn Anton Bitter und dessen Frau Maria. Im Jahr 2010 übernahm deren Tochter Andrea den Familienbetrieb und erweiterte das Angebot, um eine Podologische Praxis. Im Jubiläumsjahr bilden 13 Mitarbeiter, darunter neben der Inhaberin ein weiterer Meister, das qualifizierte Team.
Schuhmacherhandwerk im Wandel
Schuhmacher gibt es seit der Antike. Der Beruf stammt von den Gerbern ab, so steht es in geschichtlichen Abhandlungen. Die erste Berufsbezeichnung findet sich bei den Römern. Um auch Menschen mit Fußbehinderungen helfen zu können, eigneten sich einige Schuhmacher in späteren Jahrhunderten besondere Fähigkeiten an und fertigten spezielles Schuhwerk. Als eigenen Beruf gibt es den Orthopädieschuhmacher aber erst seit 1953. Inzwischen ist Orthopädieschuhtechnik die korrekte Bezeichnung, denn der Beruf entwickelt sich ständig weiter.
Digitale Technik für Präzision
Die Arbeit wird von moderner Technik unterstützt. Ein Beispiel sind digitale Messmethoden, mit denen präzise Daten erfasst werden, die dann zu passgenauen Ergebnissen erarbeitet werden. In einem Ganganalyse-Raum gibt es eine Laufstrecke, eine Kamera zeichnet die Bewegungsabläufe auf und dokumentiert die Gangart. Die Daten werden mit den Kunden besprochen, anschließend die notwendigen Arbeiten festgelegt. Ein Beispiel sind 3-D-gedruckte Einlagen, die eine individuelle Druckverteilung durch eine spezielle Rautenstruktur möglich machen, aber auch Einlagen, die neurologische Defizite lindern.
Individuelle Hilfen bei Krankheitsbildern
Andrea Klemm macht deutlich, dass es in der Orthopädieschuhtechnik nicht nur um Füße geht, die aufgrund einer Körperbehinderung spezielle Versorgung erfordern. Sondern auch Krankheitsbilder wie Diabetes oder Arthrose können das Gehen erschweren. Es sind auch schon mal kleine Probleme, bei denen das Team helfen kann. Wenn zum Beispiel die Füße nach längeren Spaziergängen schmerzen, »dann hilft oft eine individuell angefertigte Einlage.«
Kunden aller Altersgruppen
Kunden des Handwerksbetriebes kommen aus ganz unterschiedlichen Altersgruppen. Die meisten waren zunächst bei einem Arzt und besuchen dann mit entsprechenden
Unterlagen die Orthopädieschuhtechnik. Es gibt auch Kunden, die bei kleinen Problemen den direkten Weg suchen. »Das Bewusstsein, auf die Füße zu achten, nimmt zu«, stellt Andrea Klemm fest. Damit auch die Herausforderungen an die Arbeit des Teams. Weiterbildung gehört dazu, ebenso die Zusammenarbeit mit Ärzten.
Die Füße als Fundament
Die Fachfrau hat einen interessanten Vergleich mit einem Haus parat: Die Füße seien wie das Fundament eines Hauses. »Das muss stimmen, sonst gibt es Setzrisse.« Übertragen auf den Fuß bedeutet das zum Beispiel: Es entsteht ein Beckenschiefstand. Dem kann mit einem fachgerechten Verkürzungsausgleich und einer statisch korrekten Einlage entgegengewirkt werden.
Frau im Männerberuf
Andrea Klemm war 1996 eine der ersten Meisterinnen in einem von Männern dominierten Handwerksberuf. Sie erinnert sich, dass Kunden im Betrieb fragten, wann denn der richtige Meister käme. Die Frage hat sich inzwischen erledigt.
Familientradition mit Zukunft
Ihr Vater engagierte sich in der Handwerksorganisation als Obermeister seiner Innung, auch Andrea Klemm war lange Jahre ehrenamtlich im Meisterprüfungs- und im Gesellenprüfungsausschuss aktiv. Aktuell konzentriert sie sich auf betriebliche Aufgaben. Denkt der Jubiläumsbetrieb auch schon an die Nachfolge? Sohn Alexander Klemm ist bereits Meister in der Orthopädietechnik.
Technik ersetzt kein Handwerk
Was der Meisterin am Ende des Gesprächs noch sehr wichtig ist: »Technik unterstützt unsere Arbeit, aber auch noch so gute Technik kann die individuelle handwerkliche Arbeit nicht ersetzen.«
bitter-schuhtechnik.de
Text: Hubertus Kost

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»Es gibt immer etwas zu reparieren«
Auf die Frage nach der Zukunft seines Handwerks antwortet Alexander Brandt lächelnd mit nur einem Satz: »Es gibt immer etwas zu reparieren.« Das gilt, seit sein Urgroßvater Hermann Brandt den Sanitär- und Heizungsbetrieb im Jahr 1900 gründete. In diesem Jahr feiert das in Coesfeld ansässige Familienunternehmen ein Jubiläum, das im Handwerk nicht alltäglich ist: 125 Jahre.
Ein Meisterbetrieb mit Geschichte
Alle vier Generationen haben die Meisterqualifikation als besonderes Merkmal herausgestellt. Wer im Internet sucht, der findet dort »Meisterbetrieb seit 1900. Alexander Brandt Sanitär-Heizung-Service«. Beim Besuch im Büro fallen die drei Meisterbriefe auf, die dort an der Wand hängen. Das Dokument, das nach bestandener Prüfung ausgehändigt wird, und der »Goldene Meisterbrief« für Ferdinand Brandt und daneben die aktuelle Meister-Urkunde seines Sohnes Alexander aus dem Jahr 1998.
Zukunft des Gewerks gesichert
Im Gespräch wird der jüngste Meister der Brandt-Familie aber doch noch etwas konkreter, was die Zukunft betrifft. Heizungen und Bäder würden sich technisch weiter verbessern, »bei Installation, Wartung und Service ist aber auch künftig das Handwerk gefragt.« Deshalb gebe es weiter Kontakt zu den Kunden. »Ein guter Kundendienst ist immer schon Kern unseres Handwerks, das wird bleiben«, da ist sich Alexander Brandt sicher. Sein Vater nickt dazu überzeugend, er hat das nicht anders gemacht. Seine Vorfahren auch nicht.
Innovation trifft Tradition
Technischer Fortschritt hat aber auch immer eine Rolle gespielt. Was dazu führt, dass Aggregate nicht nur besser werden und gestiegenen Anforderungen entsprechen, sondern heute mehr als früher einfach ausgetauscht und nicht mehr repariert werden. »Der Zeitaufwand und damit auch die Kosten sind oft zu hoch«, sagt Alexander Brandt. Widerspricht das nicht der Aussage, dass es immer etwas zu reparieren gibt? Der Meister sieht keinen Widerspruch, denn: »Wir können nicht alles nur austauschen.« Ständige Weiterbildung sei auf jeden Fall notwendig.
Von Generation zu Generation
Ein Blick in die Familiengeschichte zeigt, dass es in der Familie Brandt seit über 200 Jahren Handwerker gibt. Eine Chronik, die zum 100-jährigen Bestehen der Firma herausgegeben wurde, umfasst den Zeitraum 1800 bis 2000. Dort heißt es: »Brandt ist der Name einer Coesfelder Handwerkerfamilie, deren Gründer, der Papiermacher Karl Wilhelm Brandt, im Jahr 1800 in Hagen-Deistern geboren wurde.« Papiermacher waren Facharbeiter, die eine vierjährige Lehrzeit absolvierten und dann überwiegend auf Wanderschaft gingen. Viele bezeichneten sich als Künstler. Der Beruf zählt nicht mehr zum Handwerk.
Meisterqualifikation als Markenzeichen
Der zweite Sohn des Papierherstellers, Bernard Georg Brandt, machte sich als Maler und Glaser selbstständig. Ein Sohn folgte in der Berufswahl dem Vater, ein weiterer, nämlich Hermann Brandt, wurde Kupferschmiedemeister und legte im Jahr 1900 den Grundstein für den Jubiläums-Betrieb. In der nächsten Generation gab es den Klempnermeister Ferdinand Brandt, dann folgten die Söhne Ferdinand junior und Horst im Gas- und Wasserinstallateur-Handwerk. Horst Brandt machte sich mit einem Handwerksbetrieb in Johannesburg in Südafrika selbstständig. Sein Bruder Ferdinand (der auch Bauklempner gelernt hat) arbeitete drei Jahre mit einem Cousin in der Schweiz und konnte dort viele Erfahrungen sammeln. Nach seiner Rückkehr in die Heimat besuchte er die Meisterschule, legte die Prüfung ab und übernahm später den väterlichen Betrieb, den Alexander Brandt seit 2002 leitet. Neben ihm gibt es einen weiteren Meister (Kevin
Inhestern) und einen Gesellen (Thorsten Henken), die beide seit vielen Jahren im Familienbetrieb arbeiten. Zum Team gehört auch ein Auszubildender (Leon Fabry).
Nachwuchs dringend gesucht
»Endlich wieder«, sagt der Chef, der großen Wert auf Ausbildung legt. In den letzten Jahren konnte er »mangels Bewerbungen und qualifizierter Bewerber« keinen Nachwuchs ausbilden. »Unser Handwerk ist interessant, vielseitig und zukunftssicher«, sagt der Meister. Das gelte für das Handwerk insgesamt und müsse mehr herausgestellt werden, und zwar bereits in der Schule.
Kundennähe als Erfolgsrezept
Der Meisterbetrieb ist bei Privatkunden und für Wohnungsgenossenschaften unterwegs, hauptsächlich in Coesfeld und Umgebung. Heizungen und Bäder sind das vorrangige »Einsatzgebiet«. Das Bedürfnis nach Komfort wächst. Dazu gehört die moderne Heizungsanlage und »das Badezimmer wird gern als kleine Wohlfühl-Oase gesehen«, sagt Alexander Brandt, der mit seinem Team überwiegend Stammkunden bedient. Dabei entstehe ein Vertrauensverhältnis. Der Kunde habe oft keine Zeit mehr, auf den Handwerker zu warten. »Wir bekommen dann den Schlüssel und können unsere Arbeit erledigen, ohne dass der Kunde dann zu Hause sein muss.« Flexibilität auf beiden Seiten.
Nachfolge im Blick
Noch einmal ein Blick in die Zukunft. Mit der Betriebsgröße ist Alexander Brandt zufrieden. Und die Nachfolge hat der 55-Jährige bereits »eingestielt«. Sein angestellter Meister soll den Familienbetrieb einmal übernehmen. Die Zusage gibt es von beiden Seiten.
brandt-coesfeld.de
Text: Hubertus Kost

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Mitten im Leben, nah am Tod – der Bestatter
Bestatter: In kaum einem anderen Handwerk sind professionelle Arbeit und ein hohes Maß an Sensibiliät so eng zusammen. Bestatter kümmern sich (fast) täglich um Tote und müssen gerade deshalb mitten im Leben stehen. So wie Frank Wesemann. »Ich muss Verständnis für die Trauernden haben, darf aber nicht mittrauern«, sagt der Bestattermeister. Er skizziert damit eine wichtige Komponente seiner Tätigkeit, die seit 2003 durch die Verordnung über die Berufsausbildung als Ausbildungsberuf (Bestattungsfachkraft) anerkannt ist. Auch die Weiterbildung zum Bestattermeister ist seit 2009 bundeseinheitich geregelt. Frank Wesemann ist Chef des Bestattungshauses Michaelis in Münster, das 1900 als Tischlerei und Bestattungsunternehmen gegründet wurde und akuell auf 125 Jahre zurückblickt.
Vom Totengräber zum Dienstleister
Der Ursprung der Bestatter reicht bis in das alte Ägypten zurück, wo Leichen von Priestern mumifiziert wurden. Im Mittelalter kümmerten sich Totengräber um die Verstorbenen. Dem heutigen Bestatter liegt unter anderem der Tischlerberuf zugrunde. Auch Fuhrunternehmer beerdigten die Toten. In ländlichen Gegenden organisierte oft der sogenannte erste Nachbar das Begräbnis.
Mehr als nur eine würdevolle Beisetzung
In vergangenen Jahrhunderten war es die einzige Aufgabe des Bestatters, Verstorbene möglichst würdevoll zu beerdigen. Das ist Geschichte, denn: »Wir sind heute ein multikompetenter Dienstleister,« sagt Frank Wesemann zum Tätigkeitsbereich der Betriebe. Konkret: »Wir kümmern uns um alle Fragen rund um die Bestattung.« Das reicht von der Beratung der Angehörigen über die Wahl der Bestattungsart bis zur Buchung der Gaststätte für die Trauerfeier. Es geht um den Sarg oder die Urne, um Absprachen von Terminen, die Gestaltung der Trauerfeier, um Trauerredner, um Formalitäten bei Ämtern und Behörden, um Urkunden und andere Unterlagen. »Die Angehörigen wollen so gut es geht von solchen Dingen entlastet werden,« betont der Bestattermeister, der sich für seinen Berufsstand auch ehrenamtlich in Nordrhein-Westfalen als Landesinnungsmeister engagiert. Das bedeutet Einsatz für 950 Betriebe.
Ein Beruf mit Tradition – und Vision
Frank Wesemanns Vater übernahm den Jubiläumsbetrieb im Jahr 1971 von der Familie Michaelis und führte den bekannten Namen weiter. Der aktuelle Chef kam 1989 in das Handwerksunternehmen. Wusste er, was auf ihn zukommt? Klare Antwort: »Ja.« Er absolvierte eine kaufmännische Ausbildung, studierte Betriebswirtschaft an der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie und qualifizierte sich zum Bestattermeister. Zwei Michaelis-Standorte gibt es in Münster. Die Angehörigen, Freunde und Bekannten können in eigenen Aufbewahrungsräumen Abschied von den Verstorbenen nehmen.
Zwischen Empathie und Professionalität
Der Betrieb beschäftigt vier Fachkräfte, die sich um alle Aufgaben kümmern. Dazu gehört neben der fachlichen Arbeit auch der dem Anlass gemäße Umgang mit den Trauernden. Trauerhilfe bedeutet auch, Trauerphasen zu erkennen und einzuordnen. »Die richtige Einstellung dazu müssen wir schon bei der Bewerbung erkennen,« sagt der Chef. Gibt es genug interessierte Jugendliche für eine Ausbildung? »Ja« ist auch hier die Antwort, und: »Zwei Drittel der Auszubildenden sind weiblich.« Tendenz steigend. Das Gespräch mit Frank Wesemann lässt erkennen, das ihn der Beruf sowohl ausfüllt als auch erfüllt. »Als Bestatter gehe ich auf Menschen ein, die sich in ganz besonderen Situationen befinden. Jeder geht mit seiner Trauer individuell um, darauf muss ich mich einstellen,« das ist seine Erfahrung. Und: »Ich muss mit Menschen reden können.«
Wandel in der Trauerkultur
Was hat sich geändert, wenn er auf die Anfangsjahre seiner Tätigkeit als Bestatter zurückblickt? Es sei bereits in den 1980-er Jahren eine Veränderung erkennbar gewesen. Die Abholung der Verstorbenen aus dem Krankenhaus oder aus dem häuslichen Umfeld, die Aufbewahrung auf dem Friedhof und die Beerdigung seien zwar immer noch ein wichtiger Teil der Tätigkeit, die Dienstleistung darüber hinaus habe aber ständig zugenommen. »Kosten sind nicht das Hauptthema und auch die Beschaffenheit von Särgen hat an Bedeutung verloren,« sagt Frank Wesemann. Die Angehörigen hätten eine bestimmte Vorstellung von einer Beerdigung. »Die Gestaltung der Trauerfeier steht im Mittelpunkt.« Ein Foto des Toten gehöre seit Jahren zur Zeremonie in der Kirche oder in der Kapelle einfach dazu, oft werde Musik ausgesucht und individueller Blumenschmuck. Erdbestattungen sind auf 30 Prozent zurückgegangen, Urnenbestattungen überwiegen. Argumente sind der geringe Flächenbedarf und die nicht so aufwändige Pflege.
Zwischen Trauer und Tatort
Was sich auch geändert hat: »Die Entfremdung von der Kirche ist auffällig,« stellt Wesemann fest. Kirchliche Bestattung sei rückläufig, auf religiöse Traditionen werde verzichtet. Was immer geblieben ist: »Die Trauerfeier und die Beerdigung müssen würdevoll sein.«Gibt der Beruf schon mal Anlass zum Schmunzeln? Der Unternehmer muss nicht lange überlegen. In drei »Tatort«-Krimis aus Münster war der Betrieb in kurzen Sequenzen dabei. So richtig ernst sei der Auftritt aber nicht gewesen.
michaelis-bestattungen.de
Text: Hubertus Kost

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Malerfamilie bringt seit 1900 Farbe ins Leben
In einigen Familien erhalten Kinder den Vornamen des Vaters oder des Großvaters. In der Familie Schröer haben drei Generationen denselben Vornamen: Friedrich. Das ist zugleich ein Zeichen für Kontinuität im Beruf. Die Schröers sind seit 125 Jahren eine Malerfamilie. Seit 2006 ist die vierte Generation in dem Betrieb in Marl im Kreis Recklinghausen leitend tätig. Kein Friedrich, sondern Annika Schröer-Oeldemann. Die Maler- und Lackierermeisterin, Tochter des dritten Friedrichs, führt die Famlientradition fort. Eine Erfolgsgeschichte in einem Handwerk, dessen Ursprünge in die Steinzeit zurückreichen.
Frauenpower in der vierten Generation
Die Familie Schröer lebt ihr Handwerk. Das ist im Gespräch zu spüren, an dem neben Annika Schröer-Oeldemann auch ihr Vater teilnimmt (»Friedrich der Dritte«, wie er schmunzelnd bemerkt). Er ist mit seinen 74 Jahren immer noch voll beschäftigt, die geplante Betriebsübergabe an die Tochter ist auf gutem Weg.
Für Tochter Annika stand früh fest, dass sie das Maler- und Lackiererhandwerk lernen würde. Schon als Kind begleitete sie ihren Vater manchmal zur Arbeit, als Schülerin machte sie ein Malerpraktikum, es folgten die Lehre in einem befreundeten Betrieb, die Meisterprüfung und die Arbeit im Familienbetrieb. Ihre beiden Schwestern sind in andere Berufe eingestiegen.
Die Meisterin ist in einem Beruf engagiert, der lange Zeit als »Männerdomäne« galt. Das hat sich geändert. Friedrich (der Dritte) war der erste Maler- und Lackierermeister in Marl, der eine junge Frau ausbildete. Aktuell lernt eine Auszubildende bei Schröer das Handwerk, eine Gesellin gehört zum 20-köpfigen Schröer-Team. »Wir haben seit vielen Jahren Frauen beschäftigt«, sagt der Senior und seine Tochter ergänzt, dass die weiblichen Fachkräfte bei den Kunden gut ankommen. Das Gefühl für Gestaltung und Farbe, das ein Kern des Maler- und Lackiererhandwerks sei, könnten Frauen besonders »rüberbringen«.
Malerhandwerk mit Geschichte
Das führt zu den Aufgaben des Handwerks. Höhlenmalereien sollen beweisen, dass sich Menschen bereits vor 30.000 Jahren mit »Malerarbeiten« beschäftigten. Belegt ist, dass die alten Ägypter vor etwa 5.000 Jahren Hauswände mit Pinsel und Farbe gestaltet haben.
Der Anfang: Friedrich der Erste
Im Jahr 1900 begann der Betriebsgründer Friedrich Schröer im Alter von 25 Jahren seine selbständige Tätigkeit mit Maler- und Tapezierarbeiten, nachdem er einige Jahre »auf Wanderschaft« war. 1909 erhielt er durch eine Urkunde des Königlichen Landrats die Befugnis, Lehrlinge auszubilden. Das hat der Betrieb seitdem kontinuierlich gemacht. Aktuell erhalten 6 junge Leute eine qualifizierte Ausbildung.
Vielfalt der Leistungen
Der Sohn des Firmengründers (der zweite Friedrich) baute den Handwerksbetrieb aus und eröffnete an einem neuen Standort auch ein Tapeten- und Farbengeschäft. 1973 übernahm dessen Sohn Friedrich das Handwerksunternehmen. Ein Jahr zuvor hatte er mit 21 Jahren die Meisterqualifikation erworben und war damals der jüngste Maler- und Lackierermeister im Kreis Recklinghausen. Seine Tochter Annika setzte auch früh auf Weiterbildung. Mit 22 Jahren war sie Meisterin.
Mehr als Farbe – Beratung inklusive
Der Aufgabenbereich hat sich in 125 Jahren verändert und ist wesentlich umfangreicher geworden. Zu den »klassischen« Arbeiten (Malen und Tapezieren) kamen Fassadensanierung, Betonoberflächensanierung. Kellersanierung, Verputzarbeiten, Wärmedämmverbundsysteme, Bodenbelagsarbeiten, Gestaltung im Innen- und Außenbereich von Häusern und Wohnungen hinzu. »Und die fachliche Beratung«, betont Annika Schröer-Öldemann. Das alles erfordert den Fachmann und die Fachfrau. Solide Ausbildung und ständige Weiterbildung sind die Grundlagen. Der Bereich »Lackierer« in der Berufsbezeichnung umfasst Türen, Fenster, Geländer und Balkone.
Qualität für Kunden – gestern, heute, morgen
»Gestaltung und Instandhaltung«, so bringt die Meisterin die Aufgaben ihres Handwerks insgesamt auf den Punkt. Der Betrieb wirbt mit dem Satz »Malermeister machen mehr als manche meinen« - na klar, Meisterinnen auch. Der Familienbetrieb arbeitet für gewerbliche Kundschaft (zum Beispiel Wohnungsunternehmen und Baugesellschaften) und ist überwiegend bei privaten Kunden tätig. Die Ansprüche haben sich verändert. »Unsere Kunden sind gern bereit, in ihr Zuhause zu investieren«, sagt Annika Schröer-Oeldemann. Dafür sei das Maler- und Lackiererhandwerk gut aufgestellt – auch mit Blick in die Zukunft. Ihr Vater ergänzt dazu: »Es wäre prima, wenn sich mehr junge Leute für einen Handwerksberuf interessieren würden.« Auch das gehört zur Zukunftssicherung – in der Familie Schröer und im Handwerk insgesamt.
Text: Hubertus Kost

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Vom Barbier zum Intercoiffeur
Vor etwa 8.000 Jahren soll es in Ägypten bereits professionelle Friseure gegeben haben. Die erste Überlieferung einer berufsständischen Organisation der Barbiere (»Vorläufer« der Friseure) in Mesopotamien stammt angeblich aus dem Jahr 1800 vor Christus. Nachweise für Friseurschulen sind aus dem antiken Griechenland bekannt. So steht es in geschichtlichen Betrachtungen und Berichten über das Friseurhandwerk, das sich erst im 19. Jahrhundert zu dem heute bekannten Berufsstand entwickelte. Vor diesem Hintergrund ist der Salon Horstmann in Gelsenkirchen noch ganz jung. Joseph Horstmann gründete am 1. April 1900 den Friseurbetrieb, der schon 125 Jahre gemeistert hat. Im Jubiläumsjahr blickt der Salon zuversichtlich in die Zukunft.
Vier Generationen Handwerkstradition
Die »Horstmänner« sind in vierter Generation im Friseurhandwerk tätig. Oliver Horstmann leitet den Familienbetrieb seit fünf Jahren. Sein Vater Klaus (dritte Generation) ist auch noch aktiv. Er legte 1969 die Meisterprüfung ab und war mit damals 21 Jahren nicht nur der jüngste Friseurmeister in Deutschland, sondern auch NRW-Landesmeister seines Handwerks. 1974 übernahm er den väterlichen Betrieb und eröffnete 1977 den Salon an einem anderen Standort in der Gelsenkirchener Innenstadt.
International auf Wanderschaft
Dann ging es zunächst für einige Jahre »auf Wanderschaft«. Klaus Horstmann arbeitete bei bekannten Herstellern von Haarpflege- und Kosmetikprodukten, veranstaltete Seminare und war – wie er sich gern erinnert – »viel auf der Bühne«. Nicht nur in Deutschland, auch in Großbritannien und in Frankreich hat er gelernt und gearbeitet, bevor er nach Gelsenkirchen zurückkehrte.
Treue Kundschaft
Es gehört zur Geschichte des Familienbetriebes, dass sich Wirtschaftsflauten auch im Friseurhandwerk bemerkbar machten. In der flauen Konjunktur nach der Jahrtausendwende und dann auch einige Jahre später reduzierten Kunden die Zahl der Friseurbesuche, Klaus Horstmann reduzierte die Zahl der Bedienungsplätze. Ein fester Kundenstamm ist aber nicht nur geblieben, sondern auch wieder gewachsen. »Wir haben 95 Prozent Stammkunden,« freut sich der Meister.
Hohe Qualität und Intercoiffure
Der hohe Qualitätsstandard des Salons spielt dabei eine wesentliche Rolle. Den hat sich das Horstmann-Team in vielen Jahren immer wieder erarbeitet. Bereits seit 1982 gehört der Salon Horstmann zur »Intercoiffure«, einer Vereinigung von Friseuren, die sich durch hohe Qualitätsstandards in Bezug auf Dienstleistung, Service und Ausbildung auszeichnet. »Intercoiffure« gilt in der Branche als globales Netzwerk von Spitzen-Coiffeuren. So ein bisschen vergleichbar mit der Auszeichnung von Sterne-Restaurants? Klaus Horstmann muss schmunzeln. Der Vergleich gefällt ihm, denn ähnlich wie Sterne-Köche muss er sich immer wieder beweisen. Konkret: Es kommen Tester als Kunden in den Salon, und die kennt er natürlich nicht. Die Tests hat er immer bestanden. Nicht nur das: Vier Mal erreichte er bei den Testergebnissen den Spitzenplatz in der Bewertung. Das spricht sich herum. Kundinnen und Kunden kommen nicht nur aus Gelsenkirchen, sondern aus dem gesamten Ruhrgebiet und darüber hinaus.
Marketing und digitale Präsenz
Gute Werbung gehört auch dazu. Das Internet bezeichnet der Senior als wichtigstes Marketing-Instrument des Salons. Schon »seit vielen Jahren« gibt es die Horstmann-Homepage. »Unsere Kundschaft findet uns im Netz,« sagt der Meister.
Friseur aus Leidenschaft
Oliver Horstmann wollte auch Friseur werden. Keine Frage. Er habe ja als kleiner Junge bei einigen Kunden schon auf dem Schoß gesessen, erinnert er sich gern. Der berufliche Weg war also vorgezeichnet. 1993 legte Oliver Horstmann die Meisterprüfung ab und war – wie sein Vater – in der Haarpflege- und Kosmetikbranche unterwegs. Mit vielen neuen Kenntnissen und Erfahrungen kehrte er nach Gelsenkirchen zurück und ist im Familiensalon aktiv. Das gute Betriebsklima zeigt sich nicht nur zwischen Vater und Sohn, sondern auch beim Team. Von den acht Mitarbeiterinnen arbeiten vier seit mehr als dreißig Jahren im Salon Horstmann. Zusätzlich kümmern sich drei Kosmetikerinnen um Kunden, Fußpflege wird auch angeboten.
Veränderung im Friseurhandwerk
Hat sich die Branche verändert? Klaus und Oliver Horstmann müssen nicht lange überlegen. »Neben den handwerklichen Fähigkeiten stehen Service und Beratung ganz vorn,« sagen beide. Schwerpunkt sei dabei nicht mehr der klassische Haarschnitt, sondern auch das Colorieren, als die Färbung der Haare, und Strähnen in verschiedenen Techniken. Den Klassiker »Waschen, Schneiden, Föhnen« gibt es aber immer noch. Männer legten heute großen Wert auf einen modernen Haarschnitt und gepflegte Haare, Frauen sowieso. Und sie seien bereit, für Qualität, Beratung und Service »einige Euros« auszugeben.
Blick in die Zukunft
Die Zukunft des Familiensalons und ihres Handwerks sehen die Horstmanns optimistisch. Besonders mit Blick auf die ganz persönliche Beratung und die individuellen handwerklichen Fertigkeiten. Klaus Horstmann ist fest überzeugt: »Ein Computer wird niemals individuell beraten und die Haare schneiden können.« Dabei blickt er stolz auf seinen »Goldenen Meisterbrief« (die Auszeichnung für fünfzig Jahre Meisterschaft im Handwerk), der sichtbar neben den anderen Horstmann-Meisterbriefen im Salon hängt.
klaus-horstmann.de
Text: Hubertus Kost
