1945 - 1960
Wiederaufbau und Wirtschaftswunder
Wiederherstellung der Eigenverantwortlichkeit

Neustart auf Trümmern
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist auch der Kammerbezirk Münster schwer gezeichnet: zerstörte Städte, ausgebrannte Infrastrukturen, fehlende Fachkräfte. In dieser Zeit wird das Handwerk zu einer Schlüsselkraft für den Wiederaufbau.
Die britische Besatzungsmacht erkennt früh den Wert des Handwerks und erlässt 1945 sogenannte „kommissarische Handwerkskammer-Ausschuss-Richtlinien“. Sie stellen die öffentlich-rechtliche Stellung der Kammern und Innungen wieder her und verankern die Drittelparität in den Gremien – mit Vertretern von:
• Meistern mit Gesellen,
• selbstständig arbeitenden Meistern,
• und Gesellen.
Diese Struktur ist ein erster Schritt zurück zur demokratischen Selbstverwaltung des Handwerks.
Rückkehr von Franz Bielefeld
Ein vertrauter Name steht für den Neuanfang: Franz Bielefeld, bereits vor 1933 Präsident der HWK Münster, wird 1945 erneut ins Amt berufen. Bis zu seinem Tod 1949 leitet er die Kammer mit großer Erfahrung – unterstützt von Hauptgeschäftsführer Dr. Clemens Kahmann.
Bielefeld ist nicht nur Handwerksvertreter, sondern auch politisch aktiv:
Er gehört dem Landtag von Nordrhein-Westfalen an und ist stellvertretender Vorsitzender des Wiederaufbauausschusses – eine Stimme des Handwerks im jungen Nachkriegsstaat.
Franz Bielefeld:
- Präsident 1927 – 1933 und 1945 – 1949
- Mitglied des NRW-Landtages und Vorstandsmitglied der vereinigten Handwerkskammern in der Britischen Zone
Philipp Klee, Baumeister und Diplom-Ingenieur aus Werne, leitet die Kammer ab 1949 – er prägt die Nachkriegszeit und sorgt für Stabilität und Sichtbarkeit des Handwerks in Westfalen.

Handwerk als Rückgrat des Wiederaufbaus
Trotz Materialknappheit und zerstörter Lieferketten leistet das Handwerk Entscheidendes:
- Wiederaufbau von Wohnraum und öffentlicher Infrastruktur
- Sicherstellung der Grundversorgung durch Bäcker, Metzger und andere
- Anpassung an neue Bedarfe – etwa durch moderne Elektroinstallationen und Heiztechnik
1949 erscheint auch das zuvor eingestellte Kammerblatt wieder – nun unter dem Titel „Nordwestfälisches Handwerk“. Es wird zur Plattform für Information und Meinungsbildung im Kammerbezirk.
Der Weg ins Wirtschaftswunder
Mit der Währungsreform 1948 und der Gründung der Bundesrepublik beginnt die wirtschaftliche Erholung. In den 1950er Jahren erlebt das Handwerk ein nie dagewesenes Wachstum:
- Baugewerbe, Elektrohandwerk, Metall- und Lebensmittelberufe boomen,
- neue Berufe wie Kfz-Mechaniker und Radiotechniker entstehen,
- die Nachfrage nach Wohnungen und Elektrogeräten steigt rasant.

Rechtlicher Meilenstein: Die Handwerksordnung
1953 wird die Handwerksordnung (HwO) verabschiedet – ein Grundpfeiler der Kammerarbeit bis heute:
- Sie bestätigt den Großen Befähigungsnachweis als Voraussetzung für selbstständige Berufsausübung und Ausbildung.
- Sie gibt dem Handwerk eine klare gesetzliche Struktur.
- 1961 erkennt das Bundesverfassungsgericht sie als verfassungsgemäß an.
Mit dem anlaufenden Sozialstaat kommen weitere Verbesserungen hinzu: Arbeitszeiten verkürzen sich, soziale Sicherungssysteme werden eingeführt – auch im Handwerk.
Neue Impulse für Ausbildung und Beratung
Die Kammer reagiert auf die neuen Herausforderungen mit gezieltem Ausbau ihrer Angebote:
- 1950: Einrichtung einer Ausbildungsstätte für Schweißtechnik
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1953: Sie bezieht einen Neubau für ihren Verwaltungssitz.
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1956: Aufbau erster Lehrwerkstätten zur überbetrieblichen Unterweisung an der Körnerstraße in Münster
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1956: Betriebsberatungsstellen nehmen ihre Arbeit auf – für technisch und betriebswirtschaftlich fundierte Unterstützung
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Die ersten Lehrlinge in den 1950er Jahren erscheinen noch mit langen Schürzen – ein traditionelles Bild, aber mit Blick in die Zukunft.


Lehrwerkstätten in Münster

Strukturwandel im Ruhrgebiet
Während das Münsterland weiterhin vom Bau- und Ausbauhandwerk profitiert, ist im nördlichen Ruhrgebiet und in der Emscher-Lippe-Region der Rückgang des Bergbaus bereits spürbar. Die Kammer unterstützt betroffene Betriebe mit:
- Weiterbildung,
- Technikberatung, und der
- Förderung neuer Gewerke.
Starkes Fundament für den Neuanfang
Der Wiederaufbau bedeutet mehr als nur eine Rückkehr zum Status quo. Die Handwerkskammer Münster entwickelt sich zu einer modernen, vielseitigen Institution – mit wachsendem Dienstleistungsportfolio, neuen Aufgaben und klarer rechtlicher Basis.
Das Handwerk wird zu einem zentralen Pfeiler des „Wirtschaftswunders“ – nicht nur als wirtschaftlicher Motor, sondern auch als Symbol für Eigeninitiative, Qualität und soziale Verantwortung.
